Europa: Kontinent der Vielfalt und des Wissens

Berlin 27.01.2019:

Der Autor dieser Zeilen versucht jedes Jahr, die Quintessenz aller Beiträge der 21 Delegations-Präsentationen irgendwie zu fassen. Bisher ist das immer gelungen – zumindest in der Selbsteinschätzung. Dieses Jahr ist es allerdings wirklich schwierig. Aber mal sehen, vielleicht bekomme ich beim Schreiben noch die entscheidende Erleuchtung. Was schon einmal deutlich wurde: dem unnützen Wissen über die einzelnen MEP-Länder wurden einige großartige Erkenntnisse zugefügt. Das die Farben Rot-Weiß auf der Lettischen Fahne nicht für Liebe und Freiheit sondern für Blut und Unbeflecktheit stehen, diese Erkenntnis verdanken wir der Delegation aus Wiesbaden. Ebenso wie die Tatsache, dass der Erfinder der Jeans, Levi Strauss, auch ein Lette war. Dass das Saarland in Form der Völklinger Hütte über ein Weltkulturerbe verfügt hat uns alle ebenso überrascht wie die Beobachtung, dass die Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam zweifarbig gestrichten ist. Unschlagbar für mich ist aber das Wissen darum, dass Ungarn genausoweit vom Äquator entfernt liegt wie vom Nordpol. Das wird mir die Orientierung auf unserem Globus ungemein erleichtern. Ob aber wirklich der werte Herr Radetzky – der angebliche Erfinder des Wiener Schnitzels – ein Prager war, dass muss ich erst einmal googeln bevor ich es glauben kann (dass er aber auf dem Theresianum in Wien Abitur gemacht hat, weiß ja jedes MEP-Kind). Dagegen wußten wir schon lange, dass die Tschechische und die Ungarische Sprachen einzigartig sind, aber die linguistischen Beispiele aus dem Munde der Native-Speaker waren schon sehr beeindruckend. Auch gut zu wissen, dass man in Wiener Kinos stricken kann. Ob ich damit allerdings irgendwann etwas Praktisches anfangen kann muss ich doch bezweifeln. Aber vielleicht werde ich bei meinem nächsten Wien-Besuch einmal am Stephansdom schnuppern, ob der Mörtel wirklich nach 660 Jahren noch nach Wein riecht. Und Dank der einschlägigen Informationen der Sachsen-Anhaltinischen Delegation wird sich ab nun auch niemand mehr in Halle auf die Suche nach dem Dieter-Bohlen-Museum begeben. Dass die Polen Bier mit dem Strohhalm trinken wusste ich aber wirklich nicht, obwohl ich in letzter Zeit öfters dort sein darf.  

Nun aber zur Krönung der drei diesjährigen Sieger: Meine- zugegebenermaßen nicht repräsentative –  Umfrage im Anschluss an die Darbietungen, hatte folgendes Ergebnis: Der Trash-Hit aus Schwerin, der dort angeblich seit einiger Zeit in allen Kneipen gegrölt wird – allerdings mit einem anderen Text – war musikalisch gesehen das absolute Highlight. Und auch textlich: MEP: Politik die rockt. Das hat schon Klasse. Die Delegation Leipzig war im Sinne der politischen Korrektheit unschlagbar: Wie sich der besorgte Bürger aus Sachsen in der estnischen Hauptstadt Dallin auf Sinnsuche begibt und dort auch nur auf neumodischen Firlefanz wie „Love is love“ trifft: alle Achtung. Was allerdings die Kombination Sinnfreiheit, historisch wertvolle Kulisse und Kostümierung betrifft waren die als dänische Wikinger gekleideten Hamburger dieses Jahr unschlagbar. Ach ja, und dann gab es auch noch die eine oder andere Leckerei – Haribo aus Bonn, Hallorenkugeln aus Halle und Schokolade aus Stuttgart; das war auf jeden Fall besser als krebserregende Fritten oder Spreewaldgurken. Auch ja: Die alles zusammenfassende Erkenntnis?  Vielleicht kommt sie von Herr Heiner Garg, der bei der Eröffnung sagte: Sein Lebensgefährte sei Amerikaner und er liebe die europäische Vielfalt der Kulturen. Ja vielleicht ist es das – zusammen mit den Grenzüberschreitungen. Mozart lässt die Oper Don Giovanni in Prag uraufführen, ein Prager erfindet dafür das Wiener Schnitzel. So ist es, unser Europa: ein ständiges Geben und Nehmen, bei dem immer wieder Neues entsteht, das allen zu Gute kommt. Das ist die Erkenntnis des Vormittags.