Modell Europa Parlament Deutschland e.V.

M E P
Deutschland e.V.

Fünf perfekte Resolutionen – nicht für die Ewigkeit



Koblenz-Bonn 6.4.2019: ?Niemand hat je behauptet, dass das Bonner Stadthaus ein schönes Gebäude ist. Und auch an diesem verregneten Donnerstagmorgen wird niemand von seiner Schönheit geblendet – zumal bei 6 Grad Außentemperatur. Aber das alles ist für die rund 100 Jugendlichen aus 9 EU- Ländern und Norwegen vollkommen unbedeutend. Denn heute und morgen geht es für sie um alles. Da werden auch die hässlichsten Bausünden des Brutalismus schulterzuckend hingenommen. Und auch der Plenarsaal für unsere Sitzung, der Ratssaal der Stadt Bonn, ist von seiner Imposanz nicht mit dem britischen Unterhaus zu verwechseln. Aber dafür ist er überaus praktisch und ideal geeignet für einen reibungslosen Ablauf der zwei Plenartage. Fünf Resolutionen und eine Fishbowl-Diskussion stehen für die kommenden 48 Stunden auf dem Programm.

Bei allen Delegierten dreht sich jetzt alles nur noch um die Fragen, wann ist mein Ausschuss dran und werden wir mit unserer Resolution die Mitdelegierten des 3. WEMEP überzeugen können? Doch bevor sie richtig loslegen können stehen noch einige Reden und Grußworte an: Zunächst begrüßt also Bürgermeisterin Gabriele Klingmüller ihr Gäste in der Beethovenstadt, dem Komponisten u.a. der „Europahymne“ „Ode an die Freude“. Bonn habe als ehemalige Hauptstadt und jetzige Uno-Stadt neben Kultur eben vor allem große Politik zu bieten. Aber auch die kleine Politik, die sich in Wahlen ausdrücke, sei wichtig. Daher forderte sie die jungen Delegierten auf: „Go and vote as soon as you have the opportunity”.

Dann tritt Präsidentin Ines aus Luxemburg ans Rednerpult. Sie macht allen Anwesenden noch einmal klar, worauf es beim MEP ankomme: Sie habe in ihrer MEP-Kariere gelernt, dass nicht das Endergebnis – die perfekte Resolution – für sie entscheidend sei, sondern der Weg dorthin. Der zähle für die Ewigkeit. Denn das MEP drehe sich um „Euch“. Ihr hättet die Chance, aus der Euch umgebenden Blase herauszutreten und  Eure Meinung kundzutun. „Pop up the bubble that is around you“, rief sie den Delegierten entgegen. Sie verglich das MEP mit einer Reise in Richtung, Freude, Friede und Aufklärung. Obwohl wir alle unterschiedlich seien glauben wir an die EU, an die Reisefreiheit (Schengen) und die Kraft der Individualität. Das MEP sei ein ständiges Geben und Nehmen, von denen alle nur profitieren würden.

Damit ist die WEMEP-Sitzung 2019 eröffnet. Als erste von drei Resolutionen an diesem Tag steht das Thema „Sozialunion“ an. Wie kann Europa gerechter werden? Wie sollen einheitliche Lebensbedingungen in der EU erzielt werden? Das waren die Leitfragen des EMPL-Committee. Die Lösungsvorschläge in den OC´s waren natürlich umstritten, egal ob es um zusätzliche EU-Gelder für Sozialwohnungen und die Sozialsysteme, die Einführung eines Mindestlohnes, der einen gewissen Lebensstandard sichert, Geschlechtsneutrale Einstellungsgespräche und anonyme Bewerbungen geht. Am Ende stellt sich eine knappe Mehrheit hinter die Resolution: Großer Applaus erhebt sich im Plenarsaal. Nach der Mittagspause geht es dann um die Themen „Schutz vor dem Klimawandel“ sowie der Beziehungen der EU zu Rußland. Soll die EU selbst weiter Aufrüsten und so die Gefahr einer Rüstungsspirale heraufbeschwören? Oder soll sie eine Art Appeasement-Politik betreiben? Die Resolution entscheidet sich für eine Zuckerbrot und Peitsche- Strategie gegenüber Russischen Aggressionen. Also eine Art neuer Doppelbeschluss: Aufrüsten aber weiter verhandeln. Auch damit gewinnt der Ausschuss die Mehrheit der Mitdelegierten für sich, ebenso wie die dritte Resolution des Tages. Aufforstung, Grün-Blaues Umweltmanagement und Umwelt-Rückversicherungssysteme der EU sollen einerseits den Klimawandel stoppen und andererseits vor den Folgen schützen.

Am 2. GA-Tag geht es dann noch um die Frage nach dem Nutzen und den Gefahren der Genschere CRISPR/Cas9. Wo liegen die ethischen und rechtlichen Grenzen dieser Technologie, die unser Erbmaterial verändern kann – zum Guten und zum Bösen?  Die Resolution spricht sich für klare ethische Grenzen aus aber auch für eine verantwortungsvolle Nutzung im Sinne der Vermeidung von Erbkrankheiten. Auch hiermit überzeugt der Ausschuss und die Resolution wird angenommen. In der abschließenden Diskussion geht es um die Rolle von Lobbyismus in der EU. Der Ausschuss für Konstitutionelle Fragen schlägt  u.a. ein Lobbyistenregister sowie einen Verhaltenskodex vor und will durch zinsvergünstigte Kredite für einen faireren Wettbewerb zwischen großen und kleineren Lobbyverbänden beitragen. Und – wie konnte es bei dieser WEMEP-Sitzung anders sein – auch diese Resolution findet die Zustimmung der europäischen Delegierten. Daher waren am Ende überall nur glückliche MEP-Gesichter auszumachen. Fünf angenommene Resolutionen. So etwas gibt es nicht alle Tage. Das MEP Feeling, von dem immer so viel die Rede ist, und das so schwer zu beschreiben und zu fassen ist – hier wurde es wieder einmal deutlich.

Emil Schaefer, der 3. WEMEP-Präsident, hatte nun in seiner Heimatstadt die schwierige Aufgabe, in seiner Abschlussrede das Niveau mindestens zu halten. Aber er schaffte es sogar, mit einer sehr emotionalen und persönlichen Rede für einen weiteren Höhepunkt dieser Sitzung zu sorgen und den tieferen Sinn der europäischen Einigung und des Model European Parlament zu veranschaulichen. Mit geschlossenen Augen hören wir einen Mitschnitt eines Raketenangriffs auf Tel Aviv. Dieser, so erfahren wir, sei nur vor wenigen Wochen erfolgt, und er, Emil, gerade zu einem freiwilligen Jahr in Israel, hätte in diesen Momenten wirklich Angst um sein Leben gehabt.  Allein dafür sei die europäische Einigung die beste Idee, die die Europäer je hatten.

Nach Verlassen des Plenarsaals kommen wir noch einmal in den architektonischen Stadthaus-Genusses. Aber das wird kaum wahrgenommen, denn inzwischen lassen sich deutliche Frühlingsanzeichen ausmachen. Direkt neben dem Stadthaus in der Bonner Altstadt erblühen die japanischen Kirschbäume. Die Welt ist in Rosa getaucht. Und alle Delegierten sehen der Abschlussfeier entgegen. Auf der fünfstündigen Rückfahrt stromauf nach Koblenz auf einem Rheindampfer wird es noch viele Gelegenheiten geben, sich über die politische Diskussion näher zu kommen. Getanzt soll auch werden. Und die Committee-Präsidenten werden bestimmt eine Spaß-Resolution vortragen, in der die Unzulänglichkeiten der Delegierten, der Präsidenten und der Koordinatoren noch einmal durch den Kakao gezogen werden. Gut so. Wir sehen uns wieder im kommenden Jahr in Luxemburg.

Bei der Benutzung akzeptieren Sie unsere cookies. Mehr Informationen

The cookie settings on this website are set to "allow cookies" to give you the best browsing experience possible. If you continue to use this website without changing your cookie settings or you click "Accept" below then you are consenting to this.

Close