Europa wir kommen
Was mag wohl in den etwa 15 jährigen Jugendlichen aus den meist mittelgroßen deutschen Städten vor sich gehen, wenn sie an einem Sonntagabend im Februar im kalten Berlin eintreffen? Im Jugendgästehaus der Stadtmission am Hauptbahnhof haben sich 160 Jugendliche aus Deutschland sowie die Gastdelegationen aus Belgien, Luxemburg und Ungarn versammelt, sie alle haben ihre Zimmer bezogen, Kuchen gegessen und sich nun zum ersten Mal in den Ausschüssen zusammengesetzt. Zuvor haben sie ihre Präsidenten kennengelernt: Akwasi, Lena und Arno. Sie wirken da oben auf der Bühne im blauen Licht irgendwie wie außerirdisch; so weit weg, so weise und unnahbar. Was muß man tun, um so zu werden wie sie?
Die meisten Delegierten sind sichtlich verunsichert. Aber jetzt geht es erst einmal darum, die Mit-delegierten und das Thema besser kennenzulernen, dann wird schon alles gut werden. Zunächst soll ja nur ein kleiner Sketch eingeprobt werden, um den Delegierten aus den anderen sieben Ausschüssen einen Vorgeschmack auf die Debatte zu geben, die in drei Tagen im Bundesrat stattfinden wird. Die Themen, sie sich ausgewählt haben, lassen nichts zu wünschen übrig: Es geht um Rassismus, Jugendbeteiligung, den Syrischen Bürgerkrieg, die EU-Flüchtlingspolitik und vieles mehr: alles dicke Bretter. Da ist es eine gute Idee, sich erst einmal auf spielerische Art und Weise anzunähern. Und so besteht die abendliche Präsentation im Jugendgästehaus aus 8 szenischen Darstellungen, die versuchen, die europäische Realität zu spiegeln: Schon nach dem ersten Auftritt wird deutlich: Die Probleme werden von den Laienschauspielern und Jungpolitikern schonungslos und anschaulich dargestellt: der tägliche Rassismus in der Schule wird ebenso angeprangert wie die Herausforderungen beim Handelsabkommen TTIP mit den USA. Ausschuss zwei zeigt wie schwierig es ist, Jugendliche an die Wahlurne zu locken – alle finden fadenscheinige Ausreden, nicht zur Wahl zu gehen. Und so geht es Ausschuss für Ausschuss weiter.
Die Jugendlichen fordern mehr Solidarität gegenüber den Flüchtlingen, weniger Profitdenken bei den Rüstungsexporten und mehr Eigenverantwortung beim Müllverbrauch. Immer wieder werden die Aufführungen von Gelächter und Klatschen unterbrochen, es macht Spaß zuzusehen, wie sich die anderen alle bemühen. Und der Eindruck ist: sie machen ihre Sache alle ziemlich gut, niemand blamiert sich, die Stimmung ist gut und gelöst, es macht Spaß, hier in Berlin unter Gleichgesinnten zu sein. Ist das das berühmte MEP-Gefühl, von dem die AV´s und die Ehemaligen immer so geschwärmt haben? Wir sind bereit. Europa, wir kommen. Diese Woche gehört uns!