Das 54. iMEP ebnet den Weg – Aus Europas Jugendlichen werden Berliner
Berlin – Online 16.11.2021:
„Diese MEP-Sitzung bietet Euch die Chance zu Berliner zu werden. Denn Berlin steht für Freiheit und die Kraft der demokratischen Revolution“. Mit dieser motivierenden Einladung startet die 54. Sitzung des internationalen MEP in Berlin, veranstaltet vom MEP-Deutschland.
140 Jugendliche aus 24 europäischen Ländern waren unterm dem Motto – Democracy first aufgerufen, in 10 Ausschüssen wichtige politische und gesellschaftliche Herausforderungen mit europäischer Dimension zu diskutieren und innovative Lösungsvorschläge in Form von Resolutionen zu erstellen – leider aber wieder nur online. Die Themen orientierten sich an den 11 EU Jugendzielen sowie den 17 Sustainable Development Goals der UN. Ziel der Resolutionen war es, die Welt, Europa und unsere Gesellschaften gerechter, nachhaltiger und jugendlicher zu gestalten, damit – wie es die Ungarische Delegierte beschrieb – die Welt so bunt wie ein Rubik-Cube werde, oder vielleicht sogar noch bunter.
Jugendpolitik als ein Geben und Nehmen
Ein wahres Feuerwerk an Eindrücken lieferte bereits die Eröffnungs-Zeremonie. Nach der stimmungsvollen Europahymne gab es sehr anschauliche Redebeiträge von Biliana Sirakova, EU-Jugend-Koordinatorin, Christin Knüpfer MEP Alumni, sowie iMEP-Präsidenten Cedric. Am lebhaftesten war dabei die Diskussion mit Biliana Sirakova über die Zukunft der Jugend in der EU. Denn das kommende Jahr ist zum Europäischen Jahr der Jugend ausgerufen worden. Die EU plant diverse Aktionen, an denen sich die Jugendlichen direkt beteiligen können. Die EU-Jugendpolitik ist nach den Worten von Biliana Sirakova ein Geben und Nehmen: Die EU hat zahlreiche Angebote wie Erasmus plus oder das Europäische Solidaritätsprogramm. Aber diese Angebote sollen die Jugendlichen auch dazu anregen und befähigen, sich zu engagieren, sich einzumischen und ihre Stimme zu erheben.
In den weiteren Reden ging es viel um Geschichte. Denn Anfang November ist in Deutschland die Wiedervereinigung und der Fall der Mauer am 9. November überall präsent. Aber es ging auch um Tipps an die Delegierten für die kommenden intensiven Tage. Hört zu, denkt kritisch, seid offen und bescheiden, guckt voraus, ergreift die Chance, reflektiert das Gelernte und habt Spaß. So in etwa läßt sich in Stichworten das Gesagt zusammenfassen.
Der europäische Mehrwert
Farbenfroh und innovativ waren dann wieder die Vorstellungsvideos und Ansprachen der 24 beteiligten Delegationen. Sie wurden genutzt, um nützliches und unnützliches Wissen über die Länder Europas zu verbreiten – wie etwa die wichtige Feststellung, dass Slovenien das einzige Land der Welt ist, in dem LOVE vorkommt.
Zur Vorbereitung standen ihnen zehn Expert:innen je eine Stunde lang Rede und Antwort; von einem Stanford-Professor bis zu einer Aktivistin für Frauenrechte; von einem internationalen Referenten des Landesjugendrings bis zu einer Europaabgeordneten. Entsprechend inhaltlich gestärkt ging es dann in die zwei-tägigen Ausschusssitzungen, wo die Ansichten der jungen Delegierten aus ganz Europa aufeinandertrafen. Die schwierige Aufgabe bestand darin, die jeweiligen nationalen Perspektiven in einen europäischen Kompromiss zu gießen. Denn wie einer der Ausschussvorsitzenden treffen formulierte: Der Kompromiss ist nicht ein Mittel der Politik, sondern das Ziel! Oder wie Angela Merkel es kürzlich in Bezug auf ihre Gespräche mit den französischen Präsidenten gesagt hat: „Auch wenn die ersten Ideen meist unterschiedlich waren ist es uns stets gelungen, die unterschiedlichen Eingebungen zusammenzubringen und etwas mehr daraus zu machen, als das, was wir nur alleine gedacht haben“. Das ist der europäische Mehrwert.
Democracy first – aber mit einer sozialen Dimension
Um diesen auch bei den jungen Delegierten weiterzuentwickeln standen zwischendurch dann auch echte Europaabgeordnete zur vertieften Diskussion bereit: Neben Delara Burkhardt, unserer MEP Vereinsvorsitzenden, Rainer Wieland, EP-Vize-Präsident, war dies vor allem Sergey Lagodinsky von der EP-Fraktion „Die Grünen/Freie Europäische Allianz“. Die Jugendlichen sind dabei mit ihren Fragen zum Themenkomplex „Democracy first“ sehr intensiv in das Thema eingetaucht: Die Fragen „Warum Populisten in Europa so erfolgreich seien“ und „Was dagegen getan werden könne“ haben Herrn Lagodinsky sichtlich gefordert. Immer wieder lehnte er sich in seinem Sitz zurück um sich zu konzentrieren. Ihnen, den Populisten, gehe es vor allem darum, die Bürger direkt und ungefiltert anzusprechen ohne die Vermittlung über Medien, Parteien oder Parlamente und Institutionen, damit diese ihre mit Fake News gespickten emotionalisierenden Stories nicht in Frage stellen können. Auf der anderen Seite würden globale Entwicklungen und Handelsströme traditionale Strukturen und Einstellungen hinterfragen und herausfordern. Viele Menschen seien darauf nicht vorbereitet und würden dann Halt bei einfachen und eindimensionalen Lösungsansetzen suchen und bei den Populisten auch finden. Als Lösung schlug Lagodinsky vor, dass Demokratie nicht für sich alleine stehen könne, sondern immer das Soziale mitbeachtet werden müsse. Dies wurde vor allem in Osteuropa nach den demokratischen Revolutionen vernachlässigt und viel zu einseitig auf die Liberalisierung der Wirtschaft gesetzt.
Der Sound of Germany – überraschend Abwechslungsreich
Beim iMEP ging es aber nicht nur um Politik sondern auch um Kultur und Entspannung. Hier ein Kahoot-Quiz, dort ein BINGO auf wonder.me und dann am Samstagabend unser Highlight: der Eurovision Song Contest – The Sound of Germany. Erstaunlich zu sehen, welche Pop-Perlen über die Grenzen des deutschsprachigen Raums hinaus bekannt sind. Klar gehörten Nena, Lena und Nicole dazu. Große Kunst bot aber das Video aus Norwegen zum Klassiker „Backe Backe Kuchen“. Die beiden deutschen Delegationen konnten mit Atemlos und Griechischer Wein nicht wirklich punkten. Die Konkurrenz war einfach zu stark: Dem Autor dieser Zeilen haben vor allem die Videos aus Estland, Schweden oder Luxemburg mindestens genauso gut gefallen (Denkmal von Wir sind Helden; Forever Young, Was wollen wir trinken). Gewonnen haben übrigens die Niederlande mit einer gemeinsamen Tanzeinlage und einem selbst gedrehten Video zum Song von Bosse „Frankfurt Oder“
Demokratie ist ein hartes Brot
Wie erwartet wurden in den 10 Resolutionen spannende, innovative und kontroverse Lösungsvorschläge zu den aktuellen Herausforderungen vorgeschlagen – Demokratie vom Feinsten. Dabei ging es um die Einführung von sozialen Schul-Aktivitäten zwischen den Unterrichtsstunden, ein Wiederaufforstungsprogramm in Städten oder die Anklage Chinas vor dem UN- Menschenrechts-Gerichtshofes wegen der Unterdrückung der Opposition in Hongkong. Zusätzlich spannend wurde es bei den Änderungsanträgen, ob einzelne Vorschläge gestrichen werden sollen. Und so gab es auch einige Wermutstropfen. Vor allem die Abstimmung über die Reduzierung des allgemeinen Wahlrechts auf 16 Jahre führte zu einer kleinen Sensation, denn diese wurde zur Überraschung vieler mit einer Mehrheit abgelehnt. Die spannendste Debatte drehte sich dann am Ende um Maßnahmen gegen Hate-Speech gegen Frauen im Internet. Viele Delegierte wollten u.a. nicht einsehen, dass online-Gewalt genauso gefährlich sein kann wie physische Gewalt. Am Ende wurde die Resolution mit einer Stimme Mehrheit abgelehnt. Der FEMM-Ausschuss nahm es sportlich: Das MEP ist ja – streng genommen – nur ein Spiel, eine Simulation.
Nach 10 Stunden Diskussionen stand fest: Demokratie ist manchmal ein hartes Brot. Jemanden von einer bestimmten Meinung zu überzeugen ist kein Selbstläufer. 5 Resolutionen wurden von den Delegierten angenommen, 5 Resolutionen dagegen fehlten manchmal – wie gesagt – nur eine Stimme zur Mehrheit und wurden damit abgelehnt.
Vom Reden zum Handeln
Und so mischten sich am Ende neben viel Lob und Begeisterung auch einige kritische Töne in die Closing Ceremony. Gottfried Oehl von MEP Europe zitierte JF Kennedy mit dem abgewandelten Ausspruch: „Denke nicht daran, was Europa für Dich tun kann, sondern, was Du für Europa tun kannst.“ Und der Organisator Christopher Lucht ermutigte die Delegierten, sich weiter politisch für die europäische Einigung zu engagieren, z.B. bei den Young European Federalists oder den MEP-Alumni. Präsidentin Siska stellt am Ende der 5 Tage fest, dass mit den Resolutionen alle am politischen Entscheidungsfindungsprozess beteiligt haben. Eure Stimme wurde gehört. „So remember never to reject a good discussion. You will learn so much when you are forced to listen”. Ganz zum Schluß wurde der Staffelstab an das kommende MEP-Team übergeben, an Lucien und Victor Drujinin von MEP Rumänien – und zwar, wie sollte es anders sein, in Form eines Brockens Berliner Mauer. Und damit schließt sich der Kreis: Aus 140 Europäer:innen sind Berliner:innen geworden.
Klar, ein solcher Bericht gibt immer nur unzureichend wieder, wie das Projekt tatsächlich auf die Teilnehmenden wirkt. Daher hier ein O-Ton aus der Evaluation
Das Projekt war Teil von Erasmus plus. Die Ergebnisse werden jetzt noch einmal mit Europaabgeordneten diskutiert und dann zum Teil auf die Plattform zur Zukunft der EU gestellt.